edwardian 1900 – 1914 | EDUARDIANISCH

Als Stilbegriff umfasst das Edwardianische Zeitalter in England die Zeit nach Königin Viktorias Ableben bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1914. Es ist die britische Variante des Modern Style, wie sie in der Regierungszeit König Edwards VII. beliebt ist. Auch als Garland Style bekannt, zeichnet sich der Stil besonders durch historisierende Rückgriffe auf Motive des späten Rokoko – wie Bändergirlanden, Blumenfestons und Schleifen – aus.

In England spricht man vom Jugendstil als Modern Style oder Edwardian Style. Das edwardianische Zeitalter wird als goldene Zeit bürgerlicher Sicherheit oder als „long Edwardian garden party“ bezeichnet. Sie entspricht zeitlich ungefähr der Regierungszeit Edwards VII. und ein paar Jahre darüber hinaus, also von 1901 bis zum Kriegsausbruch 1914. Der Zeit seines Lebens umstrittene König Edward VII. von England (1841 – 1910) steht im Brennpunkt zeitgenössischer Konflikte. Von Königin Viktoria wird er nur in geringem Maße in offizielle Aufgaben eingebunden. Kronprinz Bertie muss 60 Jahre auf die Thronbesteigung warten. Er hat nicht nur genug Zeit, seine zahlreichen Affären zu pflegen, er kann auch seinen Vorlieben wie Theater, Kunst, Nachtclubs oder Pferderennen nachgehen. Ein Skandal folgt dem nächsten. Der ewige Thronfolger gilt als Playboy und Glücksspieler, der sich mit falscher Gesellschaft umgibt und einen exzessiven Lebensstil pflegt. Der Monarch liebt den Luxus, Juwelen spielen in seinem Lebensstil und dem seiner Entourage, wie der gesamten Oberschicht Englands, eine große Rolle.

Im Design kann sich der Jugendstil in England nicht in der Form wie in Frankreich oder Deutschland durchsetzen. Historisierende Rückgriffe bleiben beliebt. Das Edwardianische Barock bildet sich heraus, zu dem Edward Elgar patriotische Musikwerke schreibt: The Land of Hope and Glory.

Schmuckmacher, die sich weder dem Art Noveau Stil, noch anderer Reformbewegungen verpflichtet fühlen, schaffen einen eigenen, nach der beliebten Girlandenform, „Garland style“ oder „Style Guirlande“ genannt – im Stil Marie Antoinettes, nach Motiven des 18. Jahrhunderts, werden delikate Bändergirlanden und Blumenfestons als Diamantschmuck gearbeitet. Mit neuer Leichtigkeit werden seit 1903 Girlanden, Bänder, Lorbeerkränze, Knoten, Tasseln oder Schnüre nun komplett in Platin ausgeführt. Das Platin erlaubt eine völlig neue Verarbeitung der Juwelen. Als hartes Metall kann es dünner verarbeitet werden als Gold und Silber. Es macht die filigranen Details der kunstvollen Schmuckstücke wie bewegliche Fransen, komplizierte Schnörkel und Millegrain-Fassungen überhaupt erst möglich. Diese Fassungen aus winzigen Platinperlen können so klein ausfallen, dass die Oberflächen verdichtet mit Edelsteinen übersät, an Stickereien erinnern. Feingliedrig und in klaren Formen sind die Steine aufgereiht, die Schmuckstücke wirken leichter. Unbedingtes Muss für die Elite, ist das Tragen einer Tiara. Das Aufkommen von Platin erlaubt es die Diademe sehr aufwendig auszuarbeiten, dabei sind sie leichter und handlicher als ihre Vorgänger vergangener Epochen und stets von bester Qualität. Die edwardianische Mode der hohen, streckenden Kragen, S-förmig geschwungenen Korsetts, aufwendigen Kopfputze und prachtvollen Pelzen verleiht den Damen eine herrschaftliche Würde. Die Sanduhrfigur ist en vogue, ebenso Unmengen von Schmuck zu tragen. Edwarianische Juwelen sind auffällig weiblich, grazil mit spitzenartigem, feingliedrigem Design in Platin auf Gelbgold und über und über besetzt mit Diamanten. Seltener werden hochkarätige farbige Edelsteine als Schwerpunkte eines Schmuckstücks verwendet. Die Favoriten der „weißen Zeit“ bleiben Diamanten, Perlen und Mondsteine.

Vorlagen für Nachahmer bietet das englische Königspaar auf den Krönungsfeierlichkeiten, die sich über das ganze Jahr 1902 erstrecken und die von Gesellschaftsmagazinen aufgegriffen werden. Nach dem schwarzen Trauerschmuck viktorianischer Zeit schwelgt die Gesellschaft nun im eleganten Juwelenrausch. Königin Alexandra (1844 – 1925) setzt den Trend hochgeschlossene Diamant- und Perlenchoker zu tragen. In Frankreich nennt man diese Kropfbänder „collier des chiens“. Zurück geht der Garland Style auf Louis Cartier, der Ende des 19. Jahrhunderts auf seine eigene schlichte Interpretation des französischen Neoklassizismus des 18. Jahrhunderts setzt, statt sich der Art Nouveau anzuschließen. Den Glanz eines jeden einzelnen Diamanten hebt er durch eine fast unsichtbare Fassung hervor, die er aus Platin schafft. Diese besonderen Preziosen setzen sich an allen Königshöfen der Welt durch und bringen den großen Durchbruch für das Haus Cartier. Cartiers Erfahrungen mit Indien beginnen 1901, als er für Königin Alexandra von England und Kaiserin von Indien, aus verschiedenen Stücken ihrer Juwelen ein indisches Kollier kreiert. Es muss zu drei großen Abendroben passen, die ihr direkt aus Indien zugesandt werden. Indisches Dekor wird zur Mode. Das Londoner Haus von Cartier fokussiert fortan das Indiengeschäft.