retro 1930 – 1950 | KLASSISCHE MODERNE

Das Verwenden von Stilzitaten und verschiedener Formen bestimmen den Retroschmuck der 1930er bis 1950er Jahre. Er suggeriert einerseits Tradition und schafft doch etwas Neues mit hohem emotionalen Wert. Die Knappheit kostbarer Materialien während und nach dem Krieg setzt der Schmuckgestaltung Grenzen. Sparsamkeit ist angesagt. Den Umständen entsprechend ist Mehrzweckschmuck sehr beliebt.

 

Die 1930er und frühen 40er Jahre sehen Europa direkt von der grossen Depression in den Zweiten Weltkrieg schlittern. Der Schmuck der 1940er Jahre setzt gestalterisch den Stil der 1930er Jahre fort. In den 1940er Jahre sind Uniformen Teil des Alltags. Die Kriegsjahre sind für die Mode eine Zeit verhaltener Eleganz. Gold und Platin sind knapp, da viel Material zur Waffenherstellung eingezogen wird. Juweliere arbeiten aus wenig Metall scheinbar massige, aber doch glamouröse Schmuckstücke. Der Mangel an Diamanten führt zur Verwendung von Halbedelsteinen – bevorzugt in lichter Farbigkeit -, die protzig eingesetzt werden. Der Glamour-Stil und Cocktailpartys sind in Mode und mit ihnen große Filmdiven, wie Joan Crawford (1905 – 1977) – ein Sinnbild des 40er Jahre-Stils. Zu ihren Lieblingsjuwelieren zählt Paul Flato (1901 – 1999), der besonders die Filmwelt beliefert.
Kühne, skurrile, kompakte, klobige Formen arbeitet er in Gold, das er in der Nachkriegszeit verstärkt verwendet.

 

 

Überhaupt ist es die Zeit, in der sich eine eigenständige Juwelierkunst in Amerika entwickelt. Retro Schmuckstücke verwenden farbiges Gold – je nach Legierung grau, gelb, rose oder grün – manchmal sind sie zwei- oder sogar dreifarbig. Nach der vorangegangenen Dominanz von Platin sind die aufregenden Goldlegierrungen ein deutlicher Wechsel. Das Schmuckdesign ist oft dreidimensional und skulptural, verbindet Bänder, Schleifen und stoffartige Falten. Edelsteine werden von älteren Schmuckstücken wiederverwendet. Diamanten und synthetische Rubine oder Saphire werden als patriotisches Symbol getragen. Nach 1941, dem Eintritt Amerikas in den Zweiten Weltkrieg, werden Schmuckformen deutlich militärischer: kühne, klobige Entwürfe finden sich mit klaren Steinreihen und -clustern. Beim Halsschmuck sind eng um den Hals liegende Gasrohr- und Schlangenketten gefragt mit akzentuiertem Mittelteil. Wabenstrukturen oder Brückenmotive sind bei Armbändern beliebt. Statt geometrischen Formen in strenger Symmetrie sind Schmuckstücke plastisch und dreidimensional. Broschen, Ringe und Anhänger sind großformatig. Naturalistische und figurative Motive – Schleifen, Tiere und Tänzerinnen – setzen sich zunehmend in der Juwelierskunst durch.

Trotz schlechter wirtschaftlicher Bedingungen bedient Fulco di Verdura (1898 – 1978) erfolgreich den Glamour-Stil der New Yorker Society der 40er Jahre mit skurrilen, opulenten Entwürfen voller leuchtender Steine. Auch er verwendet wieder Gelbgold, was bis dahin als zu sportlich gilt. Mit seinem aus echten Muscheln und Kieselsteinen gefertigten Schmuck macht er Furore. Für Tiffany & Co ist es vor allem der Designer  Jean Schlumberger (1907 – 1987), der fantasievolle Schmuckblumen entwirft, mit denen er in der New Yorker High Society eine Welle der Begeisterung für extravagante diamantenbesetzte Anhänger und Broschen in Blütenformen entfacht. Bei Cartier erfindet vor allem Jeanne Toussaint (1887 – 1978) sensationelle neue Schmuckstücke. 1949 wird ihre Kollektion „Panthère“ vorgestellt mit vollplastischen geschmeidigen und glitzernden Großkatzen.
Erst in den 1980er Jahren taucht ein wichtiger Name bei der Schmuckauktion der Juwelen von Wallis Simpson, der Herzogin von Windsor, wieder auf: Suzanne Belperron (1900 – 1983). Ihre dramatischen Entwürfe und perfekten Arbeiten sind in den 30er – 50er Jahren mit die begehrtesten Juwelenarbeiten. Ihre originellen Kreationen finden reißenden Absatz. Kennzeichnend sind übergroße, organisch geschwungene und von der Natur inspirierte Motive wie ihre Farbigkeit, mit denen sie spielt. Zu ihren avantgardistischen Schöpfungen zählen Blumenblüten aus Chalzedon mit beweglichen Blütenblättern, Farne, Muschelschalen und große, mit Halbedelsteinen übersäte Pinienzapfen. Sie wählt weichere Formen, farbige Steine und kreiert innovative Schmuckstücke mit wenig erforschten Materialien. Außerdem führt sie die Verwendung von Bergkristall, Karneol und Chalzedon in der Juwelierskunst ein. Wie eine Modeschöpferin kreiert sie Schmuck als Spiegelbild der Trägerpersönlichkeit, berücksichtigt dabei Lebensstil, Gesichtsform oder Hauttyp. Ihre Juwelen werden von namhaften Persönlichkeiten der Zeit, Aristokraten, Künstler wie Politikern in Auftrag gegeben.