second empire 1852 – 1870 | NAPOLEON III.

 

Als Zweites Empire oder Napoleon III. wird eine Stilrichtung des Historismus in Frankreich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bezeichnet. Frankreich entdeckt das Rokoko als nationales Erbe bereits unter Louis-Philippe um 1830. Unter dem neuen Kaiser Napoleon III., einem Neffen Bonapartes, und Kaiserin Eugénie, einer glühenden Verehrerin von Marie-Antoinette, wird mit dem Neorokoko eine Kontinuität der französischen Monarchie suggeriert. Damit einher geht das gesteigerte Bedürfnis nach Repräsentation, das mit aufwendigem Schmuck im Stil des 18. Jahrhunderts demonstriert wird.

 

 

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts verlagert sich die wirtschaftliche und politische Vorherrschaft in Europa von England wieder nach Frankreich. Die Herrschaft von Napoleon III. steht im Zeichen eines enormen Wohlstands, den die Industrielle Revolution dem Großbürgertum beschert. Unter Kaiser Napoleon III. (1808 – 1873) sucht der französische Hof Anschluss an den alten Prunk des Ancien Regiem und wird wieder Mittelpunkt von Luxus und Eleganz. Üppigster Edelsteinschmuck und Brilliantgeschmeide bestimmen das Bild, vorzugsweise in Rokokoformen. Zum so genannten Genre Watteau gehören elegante, in Brillanten ausgefasste, durchbrochene Diademe, Colliers, Broschen und Armreifen, die vor allem die Kaiserin liebte. Unterschieden wird in der Goldschmiedekunst ausdrücklich zwischen Joaillerie, bei der der Reichtum an Steinen dominiert und Bijouterie, bei der es um den künstlerischen Entwurf geht. Die Schmuckproduktion im Zweiten Kaiserreich und danach ist – trotz des des rasanten Fortschritts in Technik und Industrie – geprägt von einer Vorliebe für den Naturalismus. Kaiserin Eugénie (1826 – 1920) hat eine Vorliebe für die Flora. Die Blumenwelt bietet unerschöpfliche Anregung für aufwendige Kreationen, wie Blütenzweige und Blumenbuketts übersät mit kleinen Diamanten oder farbigen Steinen in Pavé-Fassung zeigen. Juweliere wie Eugène Fontenay (1823 – 1887), Frédéric Boucheron (1830 – 1902) – er verwendet gerne blaues Email oder dunkelroten Granatcabouchon mit Brillianten – oder die Firma Mellerio dits Meller, versuchen möglichst naturgetreue Imitationen von Flieder, Jasminblüten, Rosen, Stiefmütterchen, Getreidegarben in Diamantschmuck auszuführen.

Auf der Weltausstellung von 1867 löst ein in unglaublicher Detailtreue gearbeiteter Fliederzweig wahre Begeisterungsstürme aus. Wildrosen, Brombeerblüten, Ähren oder auch Tiere werden mit ähnlicher Akribie gefertigt.

 

Alphonse Fouquet (1828 – 1905) steuert in der Dritten Republik viele Neuheiten bei: Er aufbegehren den Onyx vom Trauerstein zum eleganten Fond für Brilliantbesatz in Blütenform. Naturalistische Sujets wie Brillianteidechsen bringt er in Mode, ebenso wie Spitzenborten aus Silberfiligran oder die sehr beliebten Medaillons mit dichtem Besatz aus alternierenden kleinen Türkiscabouchons, Perlen und Brillianten. In einer Serie schwerer Schmuckstücke greift Fouquet auf die italienische Renaissance als Vorbild zurück. Medaillons mit Emailbildnissen italienischer Frauen, kopiert aus berühmten Bildern des 16. Jahrhunderts , sind eingerahmt in architektonisches Dekor mit Maskarons, Karyatiden, Wasserspeiern und Fabelwesen. Mit farbigem Email und bunten Steinen wenden sich die Bijoutiers der Nachahmung naturgetreuer Tiermotive zu: Vogelnester, von Schlangen umringelte Äste, Schmetterlinge, Eidechsen, Hasen, und vieles mehr, entstehen in billigen, maschinell gefertigten Ausführungen massenweise.

Starken Anteil an der Schmuckmode des 19. Jahrhunderts haben ägyptische und orientalische Formen. Nach Napoleons Ägyptenfeldzug steigt das Interesse am Nahen Osten und allen orientalischen Stilelementen (Egyptian Revival) vor allem durch den Bau des Suezkanals 1859 – 1869, wie auch den Auseinandersetzungen mit Algerien ab 1830 und Marokko 1844. Maurische und exotische Motive sind ebenfalls sehr beliebt, vor allem nachdem französische Romantiker das Milieu des Orients salonfähig machen.

1847 eröffnet Louis-Francois Cartier (1818 – 1904) sein Pariser Geschäft und beliefert wenige Jahre danach Kaiserin Eugénie mit Schmuck im Stil des Louis XVI. Er produziert Kunstobjekte und Schmuck auch für Russland, Indien und Südamerika. Bei allen Herrscherhäusern ist Cartier schnell sehr beliebt. 1860 kommt Alessandro Castellani (1822 – 1883) nach Paris. Er handelt mit Antiken und führt den archäologischen Schmuckstil in Frankreich ein. Unterstützt wird dieses Antikenrevival auch vom Erwerb einer bedeutenden italienischen Antikensammlung durch Napoleon III., die 1862 ausgestellt wird. Berühmt ist Castellanis Schlangenbracelet, das von vielen Juwelieren nachgeahmt wird. Viel beachtet werden außerdem handwerkliche Erzeugnisse aus Japan und China. Speziell Alexis (1811 – 1898) und Lucien Falize (1839 – 1897) beschäftigen sich mit der farbigen, matten Zellenschmelztechnik der Asiaten. Neben der Cloisonnétechnik verwenden sie ab 1867/68 auch japanische und chinesische Motive für ihre Schmuckstücke. 1889 stellen sie Armbänder mit Inschriften in Cloisonné-Technik auf der Pariser Weltausstellung aus. Mit ihren Medaillons und Armbändern fördern sie den Japonismus der Zeit.